Interview mit dem Energie-Experten in den City Labs Saltillo und Piura
Jose Antonio Ordóñez, Leiter für das City Lab Saltillo, Experte für den Energiesektor in Saltillo und Piura, Fraunhofer ISI
F.: Welche sind die wichtigsten Faktoren, die bei der Energieversorgung in Saltillo und Piura eine Rolle spielen?
A.: Die Energienutzung ist von entscheidender Bedeutung: In unserer derzeitigen Wirtschaft besteht die Energieversorgung größtenteils aus fossilen Energieträgern, die zu lokaler Umweltverschmutzung und Treibhausgasemissionen führen und somit Klimawandel und Gesundheitsprobleme verursachen. Um die globale Erwärmung unter 2°C zu halten und damit das Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen, muss bis etwa Mitte des Jahrhunderts eine kohlenstoffneutrale Wirtschaft geschaffen werden. Dies setzt eine Umstellung unserer Volkswirtschaften voraus, weg von der Nutzung fossiler Brennstoffe, von Erdöl und Erdölprodukten, Erdgas und Kohle. Obwohl die Pro-Kopf-Emissionen vergleichsweise niedriger sind als in Ländern wie Deutschland oder den USA, müssen Mexiko und Peru, wo sich unsere City Labs Saltillo und Piura befinden, ebenfalls einen Beitrag leisten, indem sie sich bemühen, die Emissionen auf einem niedrigeren Niveau zu halten. Während Saltillo eine wohlhabende Stadt ist, in der Mobilität und industrielle THG-Emissionen das Emissionsprofil der Stadt bestimmen, hat Piura ein vergleichsweise niedrigeres Entwicklungsniveau, was bedeutet, dass dort weniger Autos und Warentransporte sowie vergleichsweise weniger Schwerindustrie angesiedelt sind.
F.: Was sind die besonderen Herausforderungen und Chancen beim Thema Energie in der jeweiligen Stadt?
A.: Was die Chancen angeht, so befinden sich beide Städte in Regionen mit großem Potenzial für erneuerbare Energien. Saltillos Lage in der Wüste von Coahuila eignet sich durch die Bedingungen der Sonneneinstrahlung mit am besten für Solarenergie in Mexiko. Dies wiederum bedeutet, dass die Kosten pro Einheit Solarstrom günstig sind, da die Kosten des Kraftwerks in Relation zu einer sehr hohen Stromproduktion gesetzt werden, was niedrige Kosten pro Stromeinheit bedeutet. In Peru bietet die Wasserkraft neben den großen Potenzialen für die Solarenergie auch große Chancen. Was die Herausforderungen betrifft, so fehlen in diesen Ländern noch der politische Wille und die institutionellen Kapazitäten, um einen günstigen Rahmen für den Einsatz erneuerbarer Energien zu schaffen. Auch die Zinsen für die Finanzierung von Projekten für erneuerbare Energien sind nicht immer günstig, was die Stromkosten der kapitalintensiven Anlagen teuer werden lassen kann. Außerdem liegt die Zuständigkeit für den Energiesektor meist auf nationaler Ebene, während unsere Projekte auf lokaler (kommunaler) Ebene angesiedelt sind. Dies schafft natürliche Hindernisse in Bezug auf die Zuständigkeit für bestimmte Energiefragen.
F.: Wie unterscheiden sich die Anforderungen der beiden Städte in Bezug auf Energie und gibt es auch Gemeinsamkeiten?
A.: Der Energieverbrauch von Saltillo wird weitgehend durch die Mobilität und den Industriesektor bestimmt: Die Stadt liegt in einem der am stärksten industrialisierten Gebiete Mexikos, dem Herzen der Automobil- und Maschinenbauindustrie. Genauer gesagt ist die Industrie von Saltillo in Industrieparks organisiert, was bedeutet, dass die Mobilität zu den großen Industrieparks innerhalb und außerhalb der Stadt die Verkehrswege bestimmt. Auch die Gütermobilität, z.B. von Industriegütern, spielt eine sehr wichtige Rolle. Die peruanische Stadt Piura hat damit verglichen einen deutlich geringeren Industrialisierungsgrad. Der Agrarsektor spielt in Piura eine große Rolle, sodass die Mobilität von landwirtschaftlichen Gütern sowie die Kühlung bei Transport und Lagerung an Bedeutung gewinnt.
F.: Welche Maßnahmen können im Energiesektor ergriffen werden, um zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen und die Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels in Saltillo und Piura zu erhöhen?
A.: Energy Efficiency First! Energieeinsparungen sind der einfachste Weg, um Geld zu sparen und Treibhausgas- und lokale Emissionen zu reduzieren. Außerdem brauchen wir einen entscheidenden Wandel hin zur Nutzung erneuerbarer Energien im Stromsektor. Dies ist ein Eckpfeiler der Energiewende, insbesondere in Ländern mit einem so großen Potenzial. Städte weisen eine hohe Bevölkerungs- und Wirtschaftsdichte auf, und während sich Kraftwerke in der Regel weiter außerhalb der Städte befinden, ist die Stromnachfrage in dichteren städtischen Gebieten am höchsten. Auch im Bereich der Mobilität muss eine Energiewende stattfinden. In den Städten kann dies durch die Verbesserung und den Ausbau öffentlicher Mobilitätsdienste, die Verlagerung von motorisierter auf nicht motorisierte Mobilität (z. B. Fahrräder und Fußgängerzonen) und von Verbrennungsmotoren auf Elektromobilität oder Wasserstofffahrzeuge erreicht werden, aber auch durch die Berücksichtigung der Mobilität in den Stadtentwicklungsplänen, indem die Städte so gestaltet werden, dass eine gute Erreichbarkeit ohne großen Verkehrsaufwand gewährleistet ist.
F.: Wie können die Pilotstädte sektorübergreifend voneinander lernen? Gibt es konkrete Beispiele für bewährte Verfahren aus dem bereits abgeschlossenen City Lab Kochi, die nun in Saltillo und Piura aufgegriffen werden?
A.: Der Coronavirus hat den Austausch zwischen den Städten zu einer Herausforderung gemacht. Es waren zwar Veranstaltungen mit Stadtvertretern und Austauschsitzungen zwischen Städten geplant, diese mussten aber im Zuge von Covid-19 abgesagt werden. Wir haben einige Webinare organisiert, aber es bleibt eine Herausforderung, einen geeigneten Zeitpunkt für die Durchführung zu finden, insbesondere in Anbetracht der Zeitverschiebung zwischen Indien, Deutschland und Lateinamerika und der Verfügbarkeit einer großen Anzahl von Teilnehmern. Nichtsdestotrotz steht das Expertenteam, das in den verschiedenen Städten an der Morgenstadt arbeitet, in regelmäßigem Austausch. So können Synergien zwischen Städten und Sektoren am besten genutzt werden.